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The dispute, and the inquiry that followed; 2014

Published in the catalogue of Kunstfilmtage Düsseldorf 2014 on the occasion of the eponymous two-part screening programme

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english

An anonymous, low-level employee abruptly skipped work this morning; few noticed. A popular singer subsequently blasts into a public rage, and an entire nightclub vanishes; the town begins to collectively mutter their confusion. Later still, traumatic events occur at the community theatre. The local news report the episode following a segment covering smartphone camera etiquette. While the night apparently passes without further incident, the next morning we somehow find ourselves stranded at the side of a highway.

At the foundation of every story lurks an argument. The mechanics of plot and judgement also require an audience to stand apart, to question veracity. Debate’s dramatic characteristics are intimately related to the comprehension of narrative – something happens, then there is a disagreement on what it was.

Like drama, the legacy of dispute resolution extends to ancient Greece, laying the foundations for the codification of forensics and Western law. The primary aim of classical arbitration is reconciliation: that is, the restoration of harmony. Inventions such as compromise and amnesia clauses were moulded to carry legal significance outside the proceedings’ physical bounds, and (optimistically) prevent further controversy. Still, as often demonstrated through contemporary courtroom drama, it’s specious exposition – the elaborate, often-dubious argument for and against – which captivates most. Contradictions coexist, relativity is permissible. The schism of sophistry and philosophy supposedly made the former theatrical/morally vague and the latter analytical/ethically solid; yet thousands of years later, deception remains integral to the achievement of systemic truth.

A verdict inevitably disappoints. The debate’s accounts are neatly categorized into legitimacy or irrelevance. Resolution saps the ritual of most its potential, and all of its entertainment. ‘Justice is done. Change the channel.’

In its purest sense, debate was not exactly the search for fact. The prototype is closer to a laboratory for experimental relationships between people, events, and abstract constructions that would not survive in the open world. This same potential may also exist along other methodological baselines.

Composed of eight short films in two parts, ‘The dispute and the inquiry that followed.’ attempts to describe, then persuade us of a series of suspicious claims. It is a manifold account of truancy, voyeurism, malfeasance, abduction and homicide; sporadically interrogated by forensic speechreaders, recorded conversations, dramatic re-enactments, and allegedly expert testimony. •

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deutsch

Ein anonymer, einfacher Angestellter ist heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen, was von den meisten unbemerkt bleibt. Darauf folgend verfällt ein bekannter Sänger in einen öffentlichen Wutanfall und ein ganzer Nachtclub verschwindet. Die Stadt beginnt kollektiv ihre Verwirrung zu äußern. Noch später ereignen sich traumatische Geschehnisse im Stadttheater. Die lokale Presse berichtet über diese Vorfälle, gefolgt von einem Bericht über den Umgang mit der Smartphonekamera. Während die Nacht scheinbar ohne weitere Vorkommnisse verstreicht, finden wir uns seltsamerweise am nächsten Morgen neben der Autobahn gestrandet wieder.

Jeder Geschichte liegt ein Argument zugrunde. Die Mechanik der Handlung und die Beurteilung der Geschichte verlangt ein von außen betrachtendes Publikum, dass die Wahrhaftigkeit der Geschichte in Frage stellt. Die dramatischen Charakteristika einer Diskussion sind eng verknüpft mit dem Verständnis der Erzählung – etwas passiert und dann herrscht Uneinigkeit darüber, was passiert ist.

Es ist ähnlich wie im antiken Drama; das Erbe der Streitschlichtung geht bis ins antike Griechenland zurück, schon damals wurde der Grundstein für die Modifizierung von heutigen Gerichtsverfahren und die westliche Gesetzgebung gelegt. Das Hauptanliegen der klassischen Schlichtung ist die Versöhnung, d.h. die Wiederherstellung der Harmonie. Interventionen wie der Kompromiss und die Amnesieklausel wurden ausformuliert, um die rechtliche Bedeutung über die physische Grenze der Geschehnisse hinaus zu tragen und weitere Kontroversen vorzubeugen. Nichtsdestotrotz, wie ein Blick auf aktuelle Gerichtsdramen zeigt, ist es meist eine fadenscheinige Zurschaustellung, eine Ausarbeitung oftmals zweifelhafter Argumentationsketten, die besonders reißerisch sind. Kontroversen koexistieren, Relativität ist erlaubt. Das Schisma der Spitzfindigkeit und der Philosophie scheinen das ehemals Drastische in das moralisch Uneindeutige und das später Analytische in das ethisch Zuverlässige verwandelt zu haben; und doch bleiben tausend Jahre später Täuschung und Betrug gewahrt gegenüber den Errungenschaften systematischer Wahrheitsfindung.

Ein Urteil enttäuscht unweigerlich. Die Konten der Debatte sind sorgfältig in Zulässigkeit und Bedeutungslosigkeit kategorisiert. Der Beschluss raubt der Entscheidungsfindung Kraft und Unterhaltung. „Recht wurde gesprochen. Schalt‘ um!“

In seiner reinsten Form war die Debatte nicht als Suche nach der Wahrheit zu verstehen. Der Prototyp scheint näher an einem Laboratorium für experimentelle, zwischenmenschliche Beziehungen, Events und abstrakten Konstruktionen zu liegen, die die offene Welt nicht überleben würde. Das gleiche Potential könnte auch neben anderen methodischen Grundlagen existieren.

Bestehend aus acht Kurzfilmen in zwei Blöcken, versucht „The dispute and the inquiry that followed“ (Der Disput und die Ermittlungen die folgten) zunächst eine Reihe verdächtiger Behauptungen aufzuzeigen, um uns dann von diesen zu überzeugen. Der Filmblock ist ein vielfältiger Bericht über Versäumnis, Voyeurismus, Vergehen, Verschleppung und Mord; sporadisch vorgetragen von forensischen Lippenlesern, aufgezeichneten Konversationen, dramatischen Nachstellungen und angeblichen Expertenaussagen. •